Ein Ganzes aus Teilen
Master Studio, AD
Prof. Sebastian Multerer
LB Mirjam Elsner
Donnerstags, 09:00 Uhr
Raum N221

Ein Gedicht ist ein Ganzes, das aus Teilen besteht, die ein Ganzes sind, das aus Teilen besteht – das heisst, es ist ein Ding, das zusammengesetzt ist und niemals verdeckt, dass es zusammengesetzt ist(…). Ernst Jandl aus Die schöne Kunst des Schreibens, Darmstadt,1983
Gleiches könnte man von der Architektur behaupten, allerdings verhält es sich bei ihr so, dass im besten Fall die Teile tatsächlich zu einem großen Ganzen verschmelzen. Wir wollen diese ganzheitliche Annahme auf Wohnbauten, die von 1960 bis 1970 in München entstanden sind anwenden und planerische Sollbruchstellen dieser Zeit kitten. Wir analysieren und untersuchen, adaptieren und justieren, collagieren und überlagern anhand unserer beispielhaften Wohnbauten diese Zusammenhänge mit dem Wissen, das wir heute besitzen. Gleichzeitig wollen wir auch die Idee des Wohnens überdenken und anhand von Eingriffen in unsere Zeit überführen.
Zwischen 1960 und 1970 erschließt die Stadt München aufgrund der immer weiter zunehmenden Bevölkerungszahlen neue Gebiete. In Schwellenbereichen am damaligen Stadtrand entstehen groß angelegte Wohnanlagen, bei denen die infrastrukturelle Erschließung stark im Mittelpunkt steht. Ergänzt durch Schulen, Einkaufszentren und Sportanlagen bilden sie autarke Stadteilzentren. In ihrem Duktus ähneln sich die Gebiete stark, bis dahin, dass man fast identische städtebauliche Motive und Anordnungen entdecken kann. Aus heutiger Sicht scheinen die Bewertungen und Beziehungen, die vor 50 Jahren verheißungsvoll gewesen sein mögen nicht mehr ganz so tragfähig. Die großmaßstäblichen Wohnbebauungen, die von Grünflächen umgeben sind schaffen es nur in einzelnen Fällen einen städtebaulichen Bezug zum Straßenraum aufzubauen. Versiegelte Flächen und Individualverkehr sind omnipräsent.
Wir nähern uns den Wohngebäuden und ihrem Kontext unvoreingenommen an und nehmen das Bestehende präzise auf. Wir wollen die Gebäude nicht „klassisch“ sanieren, sondern vielmehr ganzheitliche Methoden und Lösungen innerhalb des Entwurfsprozesses identifizieren. Zwischen neuen gemeinschaftlichen und flexiblen Wohnvorstellungen innerhalb des Bestandes und der Beziehung des Objektes zu seinem Außenraum wollen wir uns einem breiten Spektrum öffnen, das nicht auch zuletzt Antworten auf die Frage der architektonischen Überarbeitung der Fassaden gibt. Um nicht in konventionelle Entwurfsmuster zu fallen, werden wir den Bestand und uns selber im ersten Drittel des Semesters mit Referenzen konfrontieren, die andere Blickwinkel und im besten Fall auch Widersprüche erzeugen.
Vom 22. bis 24. Oktober werden wir gemeinsam eine Exkursion nach Wien und Graz unternehmen. Wir werden dort verschieden Arbeiten unter anderem von Hermann Czech und Adolf Loos anschauen. Als Kontrastprogramm werden wir uns in Graz mit Bauten aus der Zeit des Dekonstruktivismus und der Postmoderne beschäftigen.
Die Aufgabe wird in 2er Teams bearbeitet.
Erstes Treffen und Einführung:
Donnerstag, 09.10.25, 09:00 Uhr, Raum N221