Aktivistische Leerstandkartierung
Theorie 1, UD
Prof. Dr. Andrea Benze
LB Janina Sieber
Freitags, 10.00 Uhr
Raum N014
We will look at the reasons for vacancy and the idea of commons as an opportunity for collective transformation. The focus will be on detailed research on vacancies in Munich Sendling and their activist mapping. With: Faculty of Social Sciences & Hans Sauer Foundation
Das „Sendlinger Loch“ kann inzwischen als Sinnbild gesehen werden, für vieles, das in der gegenwärtigen Stadtentwicklung schlecht laufen kann: Erbengemeinschaft verkauft Grundstück an Inverstor, darauf wird es mehrmals weiterverkauft und noch bevor etwas passiert, sind schon Gewinne in Millionenhöhe abgeschöpft worden.
2020 beginnen die Bauarbeiten mit dem Abriss des Supermarktes auf dem Gelände. Drei Geschoße tief wird ausgehoben für einen dann unterirdisch geplanten Supermarkt und zwei Geschosse Tiefgarage. Ein seitlicher Grünstreifen mit Bäumen und Bänken, rechtlich Teil des öffentlichen Raumes, verschwindet hinter dem Bauzaun. 2022 kommt alles zum Erliegen. Immobilienkrise. Die Pumpen werden abgestellt. Früher: ein lebendiger Treffpunkt im Quartier. Heute: Eine abgezäunte Baugrube, die mit Wasser vollläuft.
Angesichts der aktuellen Klimakrise, sollte an Orten, die leer stehen oder aufgrund gesellschaftlicher Veränderungen in absehbarer Zeit leer stehen werden, nicht abgerissen und neugebaut werden, sondern um- und weitergebaut. Darüber hinaus kann die Transformation von Stadt und Gesellschaft in eine nachhaltige nur mit den Bürgern erfolgen. Unter diesem Aspekt ist es fahrlässig, vorhandene Treffpunkte im Quartier als Ort von Aushandlung oder gemeinschaftlichen Aktivitäten einfach auszulöschen, vielmehr sollte man sie aufspüren, stärken oder Gelegenheiten für Treffpunkte schaffen.
Inzwischen ist das „Sendlinger Loch“ auf google Maps als Sehenswürdigkeit vermerkt – eine Form der kritischen Kartierung – lokale Aktivisten veranstalten dort Happenings mit der Forderung nach bezahlbarem Wohnraum sowie Freibad und gemeinnützige Organisationen veranstalten Ideenwettbewerbe mit der Bevölkerung über zukünftige Nutzungsmöglichkeiten.
Das Seminar ist der Anfangspunkt einer länger geplanten Erforschung der Potenziale des Leerstands. In einer interdisziplinären und transdisziplinären Zusammenarbeit wollen wir uns mit den Ursachen für Leerstand auseinandersetzen und im Stadtteil München Sendlingen recherchieren. Interdisziplinär bedeutet, wir arbeiten mit den Studierenden der Sozialwissenschaften der HM und Prof. Dr. Gerald Beck zusammen. Transdisziplinär, bedeutet, dass wir die akademische Blase verlassen werden und auch mit Menschen vor Ort (Experten des Alltags) oder anderen Personen mit ihren speziellen Expertisen zusammenarbeiten wollen. Aktivistische Kartierung heißt das Seminar, weil wir, um an Informationen aus der lokalen Bevölkerung und Experten aller Art zu gelangen, auch aktivistische Methoden einsetzen werden wie Mini-Performances, einfache Straßenspiele, Kneipenreportage etc.
Wir fragen uns:
Wo gibt es Leerstand?
Was ist verloren gegangen?
Warum steht das Gebäude/Grundstück leer?
Wie sieht der Leerstand konkret aus?
Gibt es lokale Personen, die Ideen für eine gemeinschaftliche Weiternutzung haben?
Nach einer kurzen Phase der gemeinsamen quantitativen Erhebung von (zukünftigem) Leerstand im Quartier, werden Sie (voraussichtlich in Zweiergruppen) ein Fallbeispiel qualitativ und umfangreich untersuchen, um eine umfangreiche Karte mit allen Informationen zu erstellen.
Hier werden sie unterschiedliche Werkzeuge der städtebaulichen Analyse sowie Möglichkeiten, diese graphisch (in Form von Karten) darzustellen, erlernen; insbesondere wie man in Karten auch Narrative von Orten darstellen kann.
Parallel hierzu werden wir uns mit der Idee gemeinschaftlich betriebener und genutzter Räume, Commons, beschäftigen, die später für die Weiterentwicklung und Transformation von Leerstand eine Schlüsselrolle spielen können. Durch ein Kurzreferat lernen Sie, sich mit einem theoretischen Text auseinanderzusetzen und dessen Leitideen zu visualisieren.
Das Seminar findet in Kooperation mit der Fakultät für Sozialwissenschaften (Prof. Dr. Gerald Beck) und der Hans Sauer Stiftung (Stiftungsvorstand Dr. Ralph Boch) statt.
Es sind folgende gemeinschaftliche Termine geplant:
Fr. 8.11.2024: Erstes gemeinsames Treffen. Dr. Ralph Boch spricht über „Citizen Science“.
Do. 21.11.2024: Workshop in Kooperation mit der Initiative Abbrechen Abbrechen
Fr. 22.11.2024: (Abendveranstaltung) mit Input eines geladenen Gastes. Entweder vor oder nach dem Workshop wird der Gast mit uns den Arbeitsstand der Recherchen besprechen.
Fr. 24.01.2024: Präsentation und Diskussion der aktivistischen Leerstandkartierungen
Erstes Treffen und Einführung:
Freitag, 11.10.24, 10:00 Uhr, Raum N014