OPEN CITY PSIRRI - INCOMPLETE AND UNPREDICTABLE
Masterstudio, UD
Prof. Nicolas Kretschmann
LB Hölzel
LB Ott
Donnerstags, 11:00 - 18:00 Uhr
Raum N120 / N124
Psirri ist ein kompaktes, gewachsenes Quartier im Zentrum von Athen. Einst ein einfaches Arbeiterquartier, erlebt Psirri heute eine fortschreitende Touristifizierung und Kommerzialisierung. Die gleichzeitige Gentrifizierung des Athener Zentrums setzt das Quartier unter enormem Veränderungsdruck. Darüber hinaus besitzt Psirri einen auffällig hohen Gebäudeleerstand. Baustellen bleiben teilweise im Rohbau stehen. Psirri ist charakterisiert von einer sehr hohen baulichen und programmatischen Heterogenität sowie strukturellen und maßstäblichen Kontrasten.
Unsere Vision für Psirri, wie auch für das Zentrum von Athen ist die „Open City“, die Idee der offenen Stadt. Es ist die Stadt aller. Der öffentliche Raum ist demokratisch, er ist von allen und für alle. Der Begriff „Open City“ wurde von der bekannten Urbanistin Jane Jacobs geprägt. Sie versuchte damit Räume zu charakterisieren, die nicht überdeterminiert, sowohl dicht als auch vielfältig sind, wie zum Beispiel überfüllte Straßen oder Plätze, deren Funktionen sowohl öffentlich als auch privat sind; unter solchen Bedingungen entstehen unerwartete Begegnungen, zufällige Entdeckungen und Innovationen, Unvorhergesehenes. So, wie wir uns eine urbane Stadt vorstellen.
Die urbane Stadt mit einer hohen Nutzer:innendichte und kurzen Distanzen ist grundsätzlich die Ressourcen schonendste Siedlungsform, die wir kennen. Bei vielen Städten geht diese Logik allerdings zusehends verloren, auch in Athen, bzw. Psirri. Die Gentrifizierung führt zu wachsendem Wohnstandard mit immer grösserem Wohnflächenverbrauch pro Kopf und nicht automatisch zu einer höheren Nutzer:innendichte. Die Stadt wird immer mehr zum Statussymbol. Gleichzeitig zeigen uns die aktuellen und auch in Zukunft schwer vorhersehbaren Entwicklungen, dass wir beim Thema "Bauen" im Bewusstsein der begrenzten natürlichen Ressourcen und des Klimawandels darauf zielen müssen, Energie und Material zu sparen, also auf das Thema Suffizienz setzen müssen. Dazu müssen wir intelligenter planen und uns ernsthafter mit der Bestandsressource Stadt und all ihren Elementen auseinandersetzen und eine Strategie der Innenverdichtung mit mehr Um-, Weiter- oder Anbau des Bestands lösen, als mit Ersatzneubauten. Gleichzeitig bedeutet es, dass wir uns als Architekten noch mehr unserer Verantwortung bewusst sein und verstehen müssen, dass die Basis eines nachhaltigen Entwurfes eine intelligente und robuste, städtebauliche Strategie für den Weiterbau der Stadt für Alle ist. Psirri dient uns hier als ideales Testfeld für unseren diessemestrigen Entwurf. Die einzelnen Bausteine des Quartiers unterscheiden sich typologisch stark, stehen aber durch ihre unterschiedliche städtebauliche Entwicklungsgeschichte exemplarisch für ebensolche Herausforderungen einer weiteren baulichen und sozial verträglichen Innenverdichtung des Athener Zentrums. Auch wenn diese durch Touristifizierung und Gentrifizierung schon abgeschlossen wirkt, verrät ein genauer Blick Anderes.
Ihre Entwürfe für Psirri dürfen radikal und experimentell sein, sollen aber Situationen schaffen, die durch ihre programmatisch gemischten Wohn- und Arbeitstypologien ein klares Statement für einen zukunftsgerichteten, innerstädtischen Lebensraum an diesem Ort sind. Dabei werden Sie zukunftsweisende, städtebauliche Konzepte erarbeiten, bestehende Stadt- und Freiräume zu klimagerechten und aneigenbaren Freiräumen umplanen und ein sich veränderndes Mobilitätsverhalten der Bevölkerung integrieren. Im Zentrum Ihrer Arbeit wird ein Themenkanon stehen, der u.a. Fragen zu konkreten und ortsspezifischen räumlichen Qualitäten und sinnvollen Typologien, der baulichen und programmatischen Dichte, zu potentiellen Akteuren, zur Art des Zusammenwohnens, zur Art und Möglichkeit des Aneignens und Teilens von Räumen, zum Wohnstandard, zum Bezug zum urbanen Umfeld und zum Entwicklungsprozess umfasst. Räumlich-ästhetische Aspekte, sozialräumliche Vielfalt und Verankerung, zeitliche Entwicklungsprozesse und die strategische Umsetzung einer städtebaulichen Idee werden gleichsam thematisiert. Der Schlüssel für den Erfolg Ihrer städtebaulichen Konzepte sind präzise Wohnideen mit dem Entwurf von intelligenten Gebäude- und Grundrisstypologien als Weiterentwicklung des typischen Athener Bestandes, die die Basis für einen zukunftsgerichteten, urbanen Lebensraum sind. Daher werden wir grossen Wert auf die Verbindung von architektonischen und städtebaulichen Themen legen.
Zu einer intensiven Auseinandersetzung mit dem Bestand werden wir Mitte November eine 5-tägige Exkursion mit Entwurfsworkshop nach Athen durchführen. Das Theorieseminar „System Stadt“ wird als geeignete Grundlage und Vertiefung der Themen im Studio empfohlen. Theorieseminar und Studio sind aber auch getrennt von einander belegbar.
Erstes Treffen und Einführung: Donnerstag 12. Oktober 2023, 11:00 Uhr, Raum N120/N124