WAS KANN KIRCHE?
Entwurf 5, AD
Prof. Nanni Grau
Mittwochs, 8:30 - 13:30 Uhr
Raum 207
Kirche im Wandel
Die beiden großen christlichen Kirchen in Deutschland befinden sich seit Jahren in einem Prozess des Wandels, der mit den dynamischer gewordenen gesellschaftlichen Veränderungen einhergeht. Im letzten Jahrzehnt hat sich die Anzahl der katholischen Mitglieder um ca. 3,5 Mio auf 20,9 Mio, die der Evangelischen um ca. 3,8 Mio auf 19,7 Mio in Deutschland reduziert(2). In München wurde, schneller als in jeder anderen deutschen Großstadt, allein 2022 ein Rückgang um 5% verzeichnet(3). Die für Deutschland prognostizierte Bevölkerungsentwicklung macht den aufgezeigten Prozess unumkehrbar, in dessen Folge zahlreiche Kirchengebäude nicht mehr benötigt werden.
Gerade in Großstädten bedürfen nun obsolet gewordene sakrale Gebäude einer Neuorientierung, die im Sinne einer sozialen, ökologischen und ökonomischen Transformation als Chance begriffen werden kann.Sie können eine entscheidende Raumressource für die Innenentwicklung wachsender Großstädte bilden – für gemeinwohlorientierte Nutzungen und bezahlbares Wohnen, für eine resilientere Gestaltung der Quartiere und deren Anpassung an den Klimawandel sowie für die Vielzahl an neuen Funktionen, die in die Städte drängen(1).
Als baulicher Ausdruck von Spiritualität unterscheiden sich Kirchen von allen anderen Gebäudetypologien. Mit ihrer städtebaulichen Präsenz prägen sie bis heute viele Ortsbilder. Das macht sie auch für Menschen, deren Alltag nicht fest mit den christlichen Ritualen verbunden ist, zu Orten der Erinnerung und Identifikation(5).
In diesem Sinne sind sie spannende, aber auch herausfordernde Gebäudetypologien, für die im Rahmen des Studios neue Nutzungs-, Gestaltungs- und Transformationsprozesse entworfen werden sollen.
Kooperationsprojekt mit der Erzdiözese München und Freising (KdöR)
Das Studio findet in Zusammenarbeit mit der Erzdiözese München und Freising (KdöR) statt, die im Rahmen des Projektes ihre Expertise zur Verfügung stellt, Diskussionspartner ist, und den Zugang zu den Gebäuden und Gemeinden öffnet. Das Erleben und Verstehen der Gebäude mit ihren Umgebungen und Nachbarschaften ist eine wichtige Grundlage des Studios.
Eine Versuchsanordnung
Zentrale Fragestellungen des Studios sind, in welche Gebäudearten sich der ursprünglich rein monofunktionale Typus des Kirchengebäudes verwandeln lässt sowie durch welche architektonischen Strategien ein multifunktionales und adaptierbares Gebäude entstehen kann, das einen langen Lebenszyklus ermöglicht.
In einer Versuchsanordnung werden drei typologisch sehr unterschiedliche Kirchen in München vergleichend transformiert mit dem Ziel jeweils übertragbare Antworten für deren spezifische Potentiale für Umnutzungen zu finden. Es sollen eigenständige Positionen zum Umgang mit den sozial, kulturell und emotional besonders bewerteten Gebäuden entwickelt werden.
Quellen:
(1) Forschungsprojekt Obsolete Stadt, Raumpotentiale für eine gemeinwohlorientierte, klimagerechte und koproduktive Stadtentwicklungspraxis in wachsenden Großstädten. Koordination und Projektleitung Universität Kassel Fachgebiet Städtebau Prof. Stefan Rettich, Sabine Tastel
(2) Deutsche Bischofskonferenz 2003, S.73
(3) https://www.bpb.de/kurz-knapp/zahlen-und-fakten/soziale-situation-in-deutschland/61565/katholische-und-evangelische-kirche/ vom 19.09.2023
(4) Bauwelt 36.2016, S.22, Sakrale Revolution, Stefan Krämer, Philipp Kurz
(5) https://hpd.de/artikel/muenchen-wird-wenigen-jahren-kirchenfreie-zone-20990
Exkursion
Vom 25.10. - 28.10.2023 findet eine thematische Exkursion nach Berlin statt. Geplant ist die Erkundung von ausgewählten Best Practice Beispielen sowie Diskurse mit Expert*innen.
Termine
Zum Auftakt ist eine Spurensuche vor Ort geplant, Mi 11.10.2023, 9 Uhr Startpunkt tbc
Erstes Treffen und Einführung: Mittwoch, 11. Oktober 2023, 9:00 Uhr, vor Ort