Prof. Ruth Berktold
Fakultaet 01
Raum: F 1.23
Adresse: 80333 MÜNCHEN, Karlstr. 6
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Sprechstunden
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Lehrgebiet
CAX und Entwerfen
Funktion
Stellv. Frauenbeauftragte
Details
Das Zeitalter von Information, Medien und Virtualität transformiert jeden Aspekt der menschlichen Erfahrung. Wo hört das Natürliche auf und wo fängt das Künstliche an? Gibt es einen Unterschied zwischen dem Materiellen und dem Immateriellen?
Die Postmoderne war die Zeit der Oberflächen und Fassaden, eine Verweigerung von Tiefe. Seit einiger Zeit gibt es in der Architektur eine Schwerpunktverlagerung auf die Artikulation von topologischen Oberflächen. Der Gebrauch von auf NURBS (Nonuniform Rational B-Splines) basierenden Computeranimations-Programmen wie Maya und Alias hat einen befreienden Einfluss auf den Entwurfsprozess und erlaubt dem Architekten an topologischen Oberflächen von großer Komplexität zu arbeiten. Der Fokus von Deleuze auf glatte Räume, Serialität und dynamische Prozesse hat in diesen Programmen seine perfekte Ausformulierung gefunden. Aber weder muss gutes Design komplexe Formen haben, noch ist jede gekurvte Oberfläche eine reine formale Entscheidung. Es gibt Entwürfe, die mit flachen Oberflächen arbeiten und welche, die mit gekurvten Flächen experimentieren, doch in jedem Fall muss das Konzept eines Entwurfes den Einsatz von bestimmten Computerwerkzeugen rechtfertigen und nicht sein formales Ergebnis.
Fluss und kontinuierliche Oberflächen sind allgegenwärtige Konzepte in der zeitgenössischen Architektur.
Die Beziehung von Mensch und Technologie scheint immer enger zu werden.
Paul Valerys Bemerkung ‚the skin is the deepest’ lenkt die Aufmerksamkeit auf ‚Haut’ als eine Oberfläche mit maximalem ‚Interface’. Die Dialektik zwischen Oberfläche und Tiefe wird aufgelöst und die ständige Bewegung vom einen zum anderen Zustand verdeutlicht.
1. Das Immaterielle und Transparente – Die Zeit der Moderne legte sein Augenmerk auf das Transparente in der Architektur, so ergab sich ein Spannungsverhältnis zwischen tiefem Raum und Oberfläche.
2. Tiefenlosigkeit – das Anliegen der ‚Neo-Moderne’ scheint eher das Zusammenfassen von aller Tiefe auf die Oberfläche eines Gebäudes zu sein. (siehe Herzog & deMeuron)
Die Verkörperlichung des Ephemeren – Kurzlebigen - Flüchtigen wird erreicht durch verschiedene Zustände von Haut, Layern oder Ebenen, Schalen und Hüllen.
Das Ergebnis sind opake und dennoch tiefe Oberflächenebenen, die als Haut des Gebäudes verbergen was ‚hinter der Fassade’ liegt.
3. Medienoberflächen - seit den frühen 70er Jahren besteht großes Interesse an Fassaden als Kommunikator. Beginnend mit Vorläufern wie das Centre Pompidou in Paris – fungieren Gebäude als neue urbane Transmitter. Gebäude von Architekten wie Bernard Tschumi, Jean Nouvel und Herzog&deMeuron werden in die Kategorie ‘Electrotecture’ eingeteilt.
4. Gefaltete Oberflächen – Theorien wie veröffentlicht in ‚The fold’ (Deleuze) and ‚A thousand plateaus (Deleuze und Guattari), Katastrophentheorie, Chaostheorie, biologische Theorie – all diese führen zu ‚Morphogenesis’ oder Gestaltbildung. Eine Generation von neuen Formen entsteht – die Falte, die entweder der Formfindung dient oder dem Prozess der Transformation.
5. Topologische Oberflächen – Topologie ist die Studie des Verhaltens einer Oberflächenstruktur unter der Einwirkung von Deformation. Die kontinuierliche Deformation von Oberfläche kann zu einer Überschneidung von inneren und äußeren Ebenen führen und dies oft in einem einzigen morphologischen Schritt( z.b. Möbius Strip). Das Möbius Haus von UN Studio zeigt wie Oberflächen wie der Möbius-Strip, die Klein-Bottle oder die Seifert-Surface als abstrakte Diagramme der Raum- und Programmfindung dienen können.
6. NURBS (Nonuniform Rational B-Splines) – Durch das Benutzen von algorithmischen Formeln werden Linien und Oberflächen ständig angeglichen und neu berechnet. Das ergibt ein sehr dynamisches System: Oberflächen und Objekte werden im Verhältnis zur Oberfläche erzeugt. Mit Programmen wie Maya und Alias kann man freie komplexe Kurven und Oberflächen entwerfen. Zitat Greg Lynn: Dank von Animation-Software kann der Architekt zum ersten mal ‚ mit Kalkül skizzieren’.
7. Vernetzte Oberflächen – vernetze Oberflächen bestehen aus vielen einzelnen Teilen. Weil das System in einem Netzwerk verbunden ist, wird jede Änderung in jedem einzelnen Teil der Oberfläche registriert. Kontrollpunkte entlang der Oberfläche geben genaue Koordinaten auf der nicht-spezifischen Oberfläche an. Diese Daten werden dann an die 3D-Fräse weitergegeben, so dass kein Teil einer Oberfläche oder Fassade einem anderen gleichen muss.
8. Gebaute Blobs – Komplex gekurvte nicht-euklidische Räume –
Ob die formale Ausformulierung von Oberfläche wirklich einen bedeutenden Beitrag zur Diskussion von Oberfläche und Tiefe liefert bleibt dahingestellt.
Wichtig jedoch ist, dass keine der hier erwähnten Softwares speziell für die Architekturproduktion entwickelt wurde, sondern für die Flugzeugindustrie, die Autoindustrie oder Film und Special Effects.
Das Lernen von anderen Medien und die gegenseitige Befruchtung von verschiedenen Disziplinen hat den Architektonischen Entwurf verändert und um die Möglichkeit zur Entwicklung von neuen Konzepten und experimentellen Ansätzen reicher gemacht.